Samstag, 16. November 2019

Otra excursión y más flamenco



Ein spontaner Besuch in einer der Abschlussklassen zeigt mir heute früh, dass die Pubertät auch in Granada ein Ende hat. Diese an die dreißig jungen Erwachsenen denken mit, hören zu, stellen Fragen, sind leise! Leider muss ich die angenehme Englischstunde zur Halbzeit verlassen, weil ich ins Krankenhaus fahre.





Die SchülerInnen der ersten Klasse Bachillerato des naturwissenschaftlichen Zweigs besuchen mit ihrer Biologielehrerin und einer Chemiekollegin eine Universitätsklinik, die auf Reproduktionsmedizin spezialisiert ist, und ich darf mit. Zum zweiten Mal schon muss mich eine Kollegin auf ein Metroticket einladen, weil meine Buskarte nicht gültig ist in dieser recht neuen Bahn, auf die alle sehr stolz sind. Auch der Hochgeschwindigkeitszug AVE hat Granada erreicht, Ende Juni dieses Jahres, aber das hab ich irgendwie verschlafen, weshalb ich morgen nicht mit dem Zug in die spanische Hauptstadt fahre, sondern zwei Flugzeuge besteigen werde, zuerst hier in Granada/Jaen, danach in Madrid, hoffentlich.


Nicht nur der herzliche Empfang durch eine Medizinerin und ihr Team, auch die Bewirtung und die äußerst rege Beteiligung der Siebzehnjährigen an den Gesprächen und Aktivitäten gefallen mir. Allein die Idee, junge Leute hier ins Universitätsklinikum Virgen de las Nieves einzuladen, finde ich gut. Drei Stunden verbringe ich also im Krankenhaus, während es draußen schüttet und für morgen in den nahen Bergen Schnee erwartet wird.



Unser Programm


Zuerst ein Vortrag über Fertilitätsprobleme und
einige Kapitel Theorie zum Thema
reproducción asistida, ...


... alles begleitet von Kaffee oder lauwarmer Schoko,
donuts, bizcochos, magdalenas und anderen Krankenhausnaschereien

Nur ganz kurz nicke ich ein, während die Ärztin begeistert von ihrer Arbeit mit PatientInnen, in Forschung und Lehre erzählt. Warme Milch macht mich müüüüde.


Dann wird es praktischer. Wir sehen gefrorene Embryos und ebensolche Spermien, die wir sogar auftauen und beim Schwimmen beobachten dürfen. Bizarr, finde ich, aber den SchülerInnen macht das Spaß und einige überlegen schon, Biologie, Chemie oder Medizin zu studieren. Als man uns noch eine künstliche Befruchtung vorführt, sind wir alle überrascht, wie einfach sie funktioniert. Und jetzt kennen wir auch die Antwort auf die Frage, die mich gestern in der Beschreibung des Lehrausgangs im Konferenzzimmer gefesselt hat: Wo kommen die Kinder her?


 
Jede Exkursion muss im Lehrerzimmer avisiert werden


Eine der vier Schülergruppen auf dem Weg ins Labor


Voll mit tiefgekühlten Embryos

 
Wir lernen, wie man Eizellen erntet und
Embryos einsetzt


 Akzente sind im Spanischen eigentlich ganz logisch,
selbst wenn es viele SchülerInnen nicht glauben wollen,
auch muttersprachliche


Mein Souvenir aus dem Labor


Ein wirklich interessanter Ausflug an einen Ort, den man sonst nur als PatientIn besuchen würde. Zwei Fertilitätsbehandlungen bezahlt hier übrigens der Staat, ab der dritten muss man das Geld selbst aufbringen. Ein Drittel der Behandlungen führt zu einer Schwangerschaft, insgesamt ein Viertel endet mit einer Geburt. Klingt nicht viel, ist aber besser als nichts, sind sich die ReproduktionsmedizinerInnen einig.


Ähnlich steht es um meine Souvenirs: viele sind es nicht, sogar das Kind bekommt diesmal wenig, und für mich selbst hab ich genau ein Paar Plüschsocken und zwei Hosen erstanden, eine für heute Abend. Nach meiner siesta, für die es jetzt um 17 Uhr viel zu spät ist, gehe ich nämlich ins Theater. Kein Theaterstück lockt mich, nein. Flamenco ist es, wieder an einem Donnerstag. Ums Eck von meiner Wohnung, im Teatro Isabel la Católica, findet eine Benefizveranstaltung statt, bei der einige bekannte Musiker, SängerInnen und FlamencotänzerInnen auftreten werden. Bin gespannt, ob der Rahmen für Flamenco passt.



Bin ich froh, dass ich heute Abend noch weggehe: in einer bisher ruhigen Nachbarwohnung, aus deren Küche nur einmal gegen 22 Uhr scheußlicher Tortillagestank über die Heizungsschlitze in meine Wohnung gedrungen war, ist  plötzlich ein sehr lautes Baby, man knallt mit den Türen, lässt die Balkonjalousien runtersausen, rückt Stühle hin und zurück und her und hin. Keine Ahnung, wer hier auf Besuch ist, aber meine siesta war keine rechte Erholung.


Es ist fast 8 Uhr abends, ich zieh mich ganz warm an und gehe noch ein bisschen einkaufen, bevor die Flamencovorführung um 21.30 beginnt. Gääähhhhn.


Meine Beute. Man kann die genug Turrón haben




All das erwartet die vielen BesucherInnen
der Benefizveranstaltung
zugunsten eines jungen Flamenco-Klubs

 
Zwei Stunden Programm, während dessen
man nicht photographieren darf

Große Flamenco-Gitarristen, SängerInnen und TänzerInnen, sogar eine Mitzwanzigerin, die hier in Granada ein Star ist, weil sie einen wichtigen Gesangswettbewerb gewonnen hat --- sie alle zeigen, was sie können, aber ich bin nicht bei der Sache. Die Show in der Platería letzten Donnerstag war sehr viel kürzer, mit weniger Künstlern und nur einer Künstlerin, doch irgendwie hat sie mich berührt und begeistert. Heute Abend ist gut, aber nicht sehr gut.


Das Baby hat unser Haus verlassen, hurra, es ist still und ich schlafe. Bis gegen 3 Uhr früh die Müllabfuhr kommt, wie an fast jedem Werktag. Polter polter quietsch, schon bin ich wieder wach. 


Ein bisschen später trabe ich zum letzten Mal den Genil-Fluss stromaufwärts, auf meiner Lieblingsstrecke, und als ich kurz vor sechs wieder in meine Gasse einbiegen will, gehend, dehnend, noch schnaufend, schreien drei junge Frauen einer vierten nach, die mir recht schnell entgegen kommt. Sie solle nicht so rennen, sagt eine. Doch die Schnelle kreischt zurück: Hört auf, wie Schildkröten zu schleichen! Darauf eine der drei Langsameren: ¡Somos españolas, no alemanas! Tja, die Spanierinnen sind anders als wir Deutschsprachigen, wie überhaupt vieles anders ist hier als zu Hause.