Nach mehr als einer Woche in Granada kenn ich mich schon so gut aus, dass ich heute noch länger frühstücke als sonst und spontan beschließe, ein ganz neue Route zur Schule zu gehen. Natürlich verrenne ich mich, frage Google Maps viel zu spät und komme erst zehn Minuten vor Beginn meiner ersten Stunde an. Es folgen zwei Englischeinheiten mit einer Kollegin, deren Lärmtoleranz mich vermuten lässt, dass sie noch schlechter hört als ich.
Nach der willkommenen, dreißig Minuten langen Pause mit meinem obligaten doppelten zumo de naranja und einem Gespräch über die spanische Monarchie und die österreichischen Koalitionsverhandlungen geht es in der Schulbibliothek weiter.
All diese SchriftstellerInnen aus der weiteren Umgebung Granadas waren zu Lesungen hier am IES Pedro Soto de Rojas |
Jetzt sind sie hier: die Kolleginnen und Kollegen der Comisión Biblioteca |
Mehr als ein Dutzend LehrerInnen unterschiedlichster Fachgruppen arbeiten eine Stunde pro Woche daran, die Bibliothek noch attraktiver zu machen. Sie organisieren Lesungen mit Autorinnen und Autoren, halten Ordnung in den Regalen, informieren die SchülerInnen über aktuelle Literaturwettbewerbe, und sie verwalten viele Bücher und unglaublich viele Schlüssel. Die Bibliothek ist übrigens nach einem der Schulportiere benannt, der auch Schriftsteller ist und regelmäßig publiziert: Ángel Olgoso.
Bibliotheken und Schulen an sich beherbergen oft ungeahnte Schätze, auch diese hier |
Ich erfahre jetzt auch Details zur Homepage der Schule, die ich immer wieder ein bisschen angeklickt hatte, aber nie gelesen. Meine nette Englischkollegin Charo zeigt mir, was die Bibliotheksseite (https://sotobiblioteca.jimdo.com/) bietet, und macht mir Lust, ein paar Dinge davon für meinen Spanischunterricht zu verwenden. Ideen für meinen Englischunterricht sind auch dabei, wer weiß, was auf meine Daheimgebliebenen zukommt in den nächsten Monaten. Ein paar nette Videos sind zum Beispiel abrufbar, in denen SchülerInnen der letztjährigen ersten ESO-Klasse über ihr Lieblingsbuch erzählen, und sie haben sich sogar passend zum Buch verkleidet. Beiträge zu vergangenen Schreibwettbewerben könnten ebenfalls zum Einsatz kommen, ¿quién sabe?
Ich kenne mich mittlerweile so toll aus mit dieser Tablettastatur, dass ich das verkehrte Fragezeichen quasi im Schlaf finde. Schlaf ist das Stichwort: ich muss vor dem Zubettgehen unbedingt noch herausfinden, was das spanische Königspaar heute auf Kuba gemacht hat. Zum ersten Mal seit der Gründung Havannas vor immerhin 500 Jahren besucht jetzt ein spanischer König offiziell die Stadt, und die Liste an geplanten Aktivitäten vor allem seiner Frau klingt furchtbar langweilig. Ich wüsste ganz viele Dinge, die ich in der Hauptstadt und sonstwo auf der Insel machen würde, aber ich bin ja nicht die Frau des spanischen Königs. Schade eigentlich, ich wollte immer Prinzessin sein oder Königin, und ich würde auch sicher nie wieder Süßes essen, um so dünn zu werden und zu bleiben wie la reina Letizia.
Die Frau Königin könnte mein heutiges Mittagessen in einem kleinen Cafe nahe der Schule in einer Woche nicht essen, da bin ich sicher. Mir aber hat's geschmeckt und ich brauchte nur einen Orangensaft als Nachspeise, den dritten des Tages, später dann in der Stadt, vielleicht im selben Lokal wie vor 30 Jahren.
War hier die Bar, in der wir jede Sprachkurspause vertratschten? Oder nebenan, wo ich heute mehr zumo konsumiere, als mir gut tut? |
'Ich wollte ein Croissant mit leckerem Schinken und Käse!' hätte ich fast gerufen. Gott sei Dank war der Kellner nicht mehr da, als ich den Mund aufmachte: das hier ist ja nur una tapa, und ... |
... hier ist mein eigentliches Mittagessen. Nichts für dünne Königinnen, aber die richtige Nahrung für hart arbeitende Hospitationspraktikantinnen auf dem Weg ins Kloster -- siehe unten |
Bevor ich essen durfte, gab es noch eine besondere Aufgabe für mich und die vielen KollegInnen am IES Pedro Soto de Rojas: die halbjährliche Evakuierungsübung der Schule, bei der alle Personen im Schulgebäude dieses verlassen und sich am Schulhof/ Sportplatz einfinden müssen. Und das Ganze ruhig und gesittet und so schnell wie möglich. Schnell, ja schon; gesittet, sehr: im Gänsemarsch, viel angenehmer weil sicherer als bei uns zu Hause; ruhig, ... natürlich nicht, es sind spanische Kinder und Jugendliche. Sie bekommen ihre Weihnachtsgeschenke nicht ein Mal, sondern zwei Mal, am 5./6. Jänner und schon am 24./25. Dezember. Frechheit!
Unterstützt von einem ausgeklügelten Farbleitsystem ... |
... finden alle den Weg ins Freie und ... |
... stehen dann brav in der Reihe; mit Megaphon: Direktor Serrano González |
An der Wand neben dem Sportplatz/ Pausenhof/ Sammelplatz: die Übersicht, wer wo zu stehen hat |
Bildschirme und ihre Botschaften sind für Kinder und Jugendliche nicht interessant |
Die Notfallsübung verlief gut, ruhig war es auch dieses Mal nicht, aber im April ist der nächste Durchgang geplant; dann soll ein Erdbebenszenario durchgespielt werden, denn Granada liegt in einer unruhigen Zone, erfahre ich heute. The Big One soll bitte noch ein paar Jahrhunderte warten. Just am Tag der Übung, als ich die Bibliothek kennenlernte, gab es drei kleine Erdbeben ganz in der Nähe! Steht heute lapidar in Granada Hoy, einer der beiden Lokalzeitungen, und keiner ist beunruhigt außer mir. Hiiilfe!
Als hätte ich geahnt, dass ich Kraft und Stärke brauche, kaufe ich am Nachmittag Unmengen Süßes, gehe aber davor ins Kloster.
Natürlich habe ich nicht nur eingekauft am Nachmittag, ich war auch im Kloster. El Monasterio de San Jerónimo ist ein Renaissancebau, den die Katholischen Könige außerhalb der Stadt errichten lassen wollten, dann aber wegen der Gelsenplage dort nach Granada verlegt haben. Gut so. Oder auch nicht, denn am ursprünglich geplanten Ort Santa Fe ist heute die Produktionsstätte meiner Lieblingsnachspeise Piononos quasi in Reichweite, und ein Ausflug dorthin wäre demnach unverzichtbar für kunstinteressierte Hospitationspraktikantinnen.
Die Heiligen 3 Könige ... |
... samt den Weintrauben, die man zu Silvester schlucken muss, praktisch in kleinen Döschen zu je 12 Stück und haltbar bis zur nächsten Jahrhundertwende. |
Jetzt hab ich endlich turrón gekauft, für die SchülerInnen und die Verwandten und vielleicht auch für meine KollegInnen daheim, die seit Tagen für mich supplieren |
Man kann nicht genug turrón im Haus haben |
Natürlich habe ich nicht nur eingekauft am Nachmittag, ich war auch im Kloster. El Monasterio de San Jerónimo ist ein Renaissancebau, den die Katholischen Könige außerhalb der Stadt errichten lassen wollten, dann aber wegen der Gelsenplage dort nach Granada verlegt haben. Gut so. Oder auch nicht, denn am ursprünglich geplanten Ort Santa Fe ist heute die Produktionsstätte meiner Lieblingsnachspeise Piononos quasi in Reichweite, und ein Ausflug dorthin wäre demnach unverzichtbar für kunstinteressierte Hospitationspraktikantinnen.
Ins Kloster also. Fast leer, wunderschön, riesig. Einer der hier Bestatteten ist El Gran Capitán, der zehn Jahre lang um Granada gekämpft hatte gegen die Mauren. Natürlich wurde er hier beigesetzt, und hier findet sich auch die Statue des Jesukindes, die er bei jeder Schlacht mitführte.
Im Innenhof des Klosters San Jerónimo |
Wenn ich noch ein paar Wochen übe, sieht man vielleicht auf einem einzigen Photo Vorder- und Hintergrund |
In der imposanten Klosterkirche mit unglaublicher Deckengestaltung, Fresken und einem derart reichen Hauptaltar ... |
... wird einem sicher nie langweilig, egal, wie lang die Messe dauert |
Er steht im Seitenschiff Tag für Tag, und die Decke für kühle Nächte liegt griffbereit |
Noch lustiger diese Büste einer Nonne, die sich um die Restaurierung des Klosters verdient gemacht hat |
Von allen Seiten nett |